Einführung — Was ist eine Rotationsschleuse und wann wird sie eingesetzt?
Die Rotationsschleuse ist ein Prozessbauteil zur Handhabung von Pulvern und Granulaten: Der Flügelrotor fördert das Produkt von einem Punkt zum anderen und steuert dabei den Durchsatz. In pharmazeutischen Produktionslinien wird sie in folgenden Bereichen eingesetzt: Silos/IBC-Entleerung, Beschickung von Mühlen und Mischern, pneumatische Förderung, Beschickung von Tablettenpressen, Abfüll-, Beutel- und Kapselmaschinen sowie weiteren Verpackungsanlagen.
Wann wird sie eingesetzt?
• Für kontrollierte Austragung (gravimetrisch oder unterstützt durch pneumatische Förderung) von Pulvern/Granulaten.
• Für reproduzierbare Produktzufuhr mit stabiler Rotorgeschwindigkeit und konstantem Produktfluss.
In der Pharmaindustrie erfordert die Auswahl besondere Aufmerksamkeit hinsichtlich Reinheit, Reinigbarkeit und Dokumentation (cGMP), geeigneter Werkstoffe und Oberflächen (FDA, USP Klasse VI), Schnellzerlegung zur Reinigung sowie der Möglichkeit von CIP/SIP, falls erforderlich.
Funktionsweise — Prinzipien (Rotor, Dichtung, Durchsatz)
Die Schleuse besteht aus einem Gehäuse mit Einlass und Auslass sowie einem Rotor mit Kammern (Taschen). Das Produkt füllt die oberen Taschen durch Schwerkraft und wird durch die Drehbewegung unten ausgetragen.
Zentrale Prinzipien:
Durchsatz: proportional zum Volumen pro Umdrehung (Geometrie der Rotortaschen) × Rotationsgeschwindigkeit.
Reinigung und Zerlegung: In pharmazeutischen Anwendungen ist ein hygienisches, leicht zerlegbares Design essenziell, um Toträume zu vermeiden und eine einfache Reinigung/Inspektion zu ermöglichen.
Werkstoffe und Oberflächen:
• AISI 316L (Pharmastandard) mit Elektropolitur; typische Rauheiten Ra ≤ 0,8 μm (viele Anwendungen fordern Ra ≤ 0,5/0,4 μm).
• Hastelloy (C-22/C-276) für besonders korrosive Umgebungen.
• Rotoren aus 316L oder Hochleistungspolymeren (z. B. PEEK) zur Reduzierung von Reibung/Anhaftung; Dichtungen aus FDA/USP Klasse VI-konformen Materialien (PTFE, EPDM, FKM, Silikon).
Auswahlkriterien — vom Pulver zum Prozess
Für eine korrekte Spezifikation müssen Produkteigenschaften und Prozessbedingungen berücksichtigt werden:
Korngröße & Partikelform
• Feinpartikuläre, kohäsive Pulver (z. B. mikronisiertes API) neigen zum Verklumpen/Anhaften: polierte Oberflächen, abgerundete Rotoren, Antihaftbeschichtungen und Flusshilfen am Trichter bevorzugen.
• Gröbere, freifließende Granulate: Schwerpunkt auf volumetrischer Leistung.
Hygroskopizität und statische Aufladung
• Hygroskopische Produkte neigen zum Ankleben; Umgebungskontrolle prüfen.
• Elektrostatische Aufladungen erfordern Erdung und ggf. antistatische Materialien.
Abrasivität
• Harte Partikel erfordern robuste Materialien (316L mit Härtebehandlung oder Hastelloy) sowie geeignete Toleranzen und Dichtungswerkstoffe, um vorzeitigem Verschleiß vorzubeugen.
Schüttdichte und benötigter Durchsatz
• Schleusendurchmesser entsprechend dem geforderten Produktdurchsatz dimensionieren.
ATEX / Staubexplosionsgefahr
• Zoneneinteilung bestimmen und eine für diese Zone zertifizierte Ausführung verlangen.
Reinigung und Validierung (cGMP)
• Schnellzerlegung und/oder CIP/SIP; Materialrückverfolgbarkeit, Zertifizierungen (FDA/USP), IQ/OQ und Dokumentation.
Mechanische Schnittstellen
• Hygienische Verbindungen (Tri-Clamp, Kompensatoren, BFM®-Verbinder/Manschetten), Stutzen, Flansche usw.
Hygienische und regulatorische Anforderungen
In der Pharmaindustrie muss eine Rotationsschleuse cGMP und weitere geltende Normen erfüllen, darunter:
• Produktberührte Materialien: AISI 316L als Standard; Dichtungen mit FDA (21 CFR) und ggf. USP Klasse VI; Hastelloy bei höherer Korrosionsanforderung.
• Oberflächenrauheit: Ra ≤ 0,8 μm (üblich) oder besser je nach Rückhalte-/Reinigungsrisiko. Elektropolitur empfohlen.
• Hygienisches Design: durchgehende Oberflächen, Innenradien, keine freiliegenden Spalte/Gewinde im Produktbereich, schnelle Rotor-/Gehäusezerlegung.
• Reinigung: CIP/SIP-Kompatibilität, sofern erforderlich, ansonsten werkzeuglose Schnellzerlegung für validierbare manuelle Reinigung.
• Dokumentation: DQ/IQ/OQ, Materialzertifikate, Rückverfolgbarkeit, Reinigungs-/Wartungsanleitungen, Ersatzteillisten.
• Sicherheit: ATEX-Konformität für explosionsfähige Stäube, Erdung und mechanische Schutzsysteme.
• Lebensmittelkontakt: Bei Einsatz in Nutra-/Lebensmittelprozessen zusätzlich EU-Verordnung 1935/2004 beachten.
Integration in die Linie — typische Anschlüsse und Layouts
Mit pneumatischer Förderung:
Wenn aufgrund von Höhenbeschränkungen eine horizontale Beschickung erforderlich ist, entlädt die Schleuse direkt in die Förderleitung oder einen Zwischentrichter, der mit der pneumatischen Förderung verbunden ist — optimal bei begrenztem Platz.
Schwerkraftbeschickung:
Bei Silos/IBC, Mühlen, Mischern, Tablettenpressen und Entleerstationen.
• Bei IBC/Silo/Sackentleerer/Big-Bag-Entleerung wirkt die Schleuse als Dosierer. Kombinieren mit Vibratoren, Klopfern oder Fluidisierungskegeln für kohäsive Pulver.
• Bei Beschickung von Mühlen/Mischern oder anderen Maschinen sorgt die Schleuse für einen stabilen Produktstrom und hilft, Brückenbildungen zu vermeiden.
• Vor Tablettenpressen/Kapselmaschinen: Bei Bedarf an Feindosierung Lösungen wie Rotodoser berücksichtigen (Mikrodosierung, Drehzahlregelung, ggf. Waagenanbindung).
Automatisierung & Steuerung
• Frequenzumrichter (VFD) zur Durchsatzregelung.
• Drehzahl-/Drehmomentsensoren für Schutz/Diagnose.
• Verriegelungen mit vor-/nachgeschalteten Anlagen (Druckschalter, Füllstand).
• Produktspezifische Rezepte (RPM, Sollwerte, Freigaben).
Häufige Probleme und Lösungen
Brückenbildung/Blockierung im Trichter
Ursachen: kohäsives Pulver, Feuchtigkeit, geringe Trichterenergie.
Lösungen: Flusshilfen (Vibrator, Klopfer), geeigneter Trichterwinkel, Antihaftbeschichtung, Trockenluftspülung, abgerundeter Rotor/Schaufeln.
Abrasion und Verschleiß
Ursachen: harte Partikel; ungeeignete Toleranzen.
Lösungen: verschleißfeste Werkstoffe/Behandlungen (hochgehärtetes 316L, Hastelloy), korrekte Spaltmaße, austauschbare Spitzen (z. B. PTFE).
Verlust des Airlocks / Luftleckagen
Ursachen: Rotor-/Dichtungsverschleiß; übermäßiges Spiel.
Lösungen: präventive Wartung, flexible Spitzen, ΔP-Prüfung und Entlüftung des Trichters.
Partikelabbau / Feinstteilchenbildung
Ursachen: aggressive Schaufeln; hohe Drehzahl.
Lösungen: abgerundeter Rotor, reduzierte RPM, größeres Volumen pro Umdrehung.
Carry-over / Produktretention
Ursachen: scharfe Kanten; schlechte Oberflächenqualität.
Lösungen: Politur/Elektropolitur, Abrundungen, hygienisches Design ohne Toträume.
Praxisbeispiele
Fall 1 — Stabile Beschickung einer Tablettenpresse (API + Hilfsstoff)
Herausforderung: empfindliche, leicht kohäsive Mischung verursachte Schwankungen der Tablettenmasse.
Lösung: hygienische Rotationsschleuse mit abgerundetem Rotor, Ra ≤ 0,5 μm, VFD-Steuerung und Luftbypass zur Druckstabilisierung im Trichter.
Ergebnis: geringere Dosierschwankungen, bessere Tablettengleichmäßigkeit, weniger Nacharbeit.
Fall 2 — Blow-Through-Förderung bei hygroskopischem Granulat
Herausforderung: Anhaftung am Auslass bei Drop-Through-Konfiguration und Feuchtigkeitsaufnahme im Trichter.
Lösung: Umstieg auf Blow-Through, Trockenluftspülung im Einlaufbereich, USP Klasse VI-Dichtungen SIP-tauglich.
Ergebnis: Eliminierung der Anhaftungen, weniger Reinigungsstopps, bessere Fließfähigkeit.
Vergleichstabelle — Werkstoffe & Dichtungen (technische Übersicht)
| Produktberührter Bereich |
Typische Optionen |
Wann bevorzugen |
Pharma-Hinweise |
| Gehäuse/Deckel |
AISI 316L |
Pharmastandard |
Elektropoliert; Ra ≤ 0,8/0,5/0,4 µm je Risiko |
| Gehäuse/Deckel |
Hastelloy C-22/C-276 |
Aggressive/korrosive Umgebung |
Höherer Preis; nur bei Bedarf |
| Rotor |
Poliertes 316L |
Vielseitig, robust |
Geringere Anhaftung bei hoher Politur |
| Rotor |
PEEK |
Geringere Reibung/Anhaftung |
Thermische/SIP-Kompatibilität prüfen |
| Spitzen/Dichtungen |
PTFE (FDA/USP VI) |
Niedrige Reibung, chemisch inert |
Optional als Federlippe erhältlich |
| Dichtung |
EPDM (FDA/USP VI) |
Wasser/alkalisches CIP |
Kompatibilität mit Lösungsmitteln prüfen |
| Dichtung |
FKM/Viton® (FDA/USP VI) |
Lösungsmittel/Öle |
Temperaturgrenzen nach Typ |
| Dichtung |
Silikon (FDA/USP VI) |
Breite Kompatibilität |
Guter Temperaturbereich; Lösungsmittel prüfen |
Hinweis: Die endgültige Wahl hängt von Produkt, Reinigung, Temperatur, ΔP, CIP/SIP und Validierungsanforderungen ab.
Technische Checkliste für RFQs (für PDF-Gating)
Produkt (Pulver/Granulat)
• Name/Zusammensetzung (API/Hilfsstoffe mit Einfluss auf Kompatibilität)
• Partikelgrößenverteilung (D10/D50/D90) und Schüttdichte
• Kohäsion/Hygroskopizität (z. B. Ruhwinkel, Kompressibilitätsindex)
• Abrasivität und Empfindlichkeit gegenüber Degradation
• Betriebsbedingungen: Temperatur/Feuchtigkeit
Prozess
• Funktion der Schleuse: Airlock, Dosierer oder Mikrodosierer
• Min./Max. Durchsatz (kg/h) und benötigte Stabilität
• Position (Drop-Through / Blow-Through), Bauraum, Orientierung
• ΔP zwischen Ein-/Auslauf sowie Druck/Temperatur im Betrieb
• Integration: Silo/IBC, Mischer, Mühle, Presse, pneumatic conveying (Phase, Luftmenge)
Mechanische & hygienische Ausführung
• Werkstoff Gehäuse/Rotor (316L, Hastelloy, PEEK-Rotor?)
• Gewünschte Innenrauheit (Ra-Zielwert) + Elektropolitur
• Dichtungen (PTFE, EPDM, FKM, Silikon; FDA/USP VI)
• Schnellzerlegung / Cantilever; CIP/SIP (ja/nein)
• Anschlüsse (Tri-Clamp, SMS, BFM®/Manschette), interne Radien, keine Spalten
Automatisierung & Steuerung
• RPM-Bereich; Motor + VFD; Sensoren (Drehzahl/Drehmoment)
• Verriegelungen & Sicherheitsfreigaben
• Dosiergenauigkeit/Reproduzierbarkeit (bei Regelkreis)
Dokumentation & Validierung
• Material- und Dichtungszertifikate (FDA, USP VI)
• DQ/IQ/OQ, FAT/SAT, Reinigungs-/Wartungshandbücher
• Kritische Ersatzteilliste (Dichtungen, Spitzen, Rotor)
Technische FAQ
1) Kann eine Rotationsschleuse präzise dosieren?
Ja, bei volumetrischer Dosierung, bei der der Durchsatz vom Volumen/Umdrehung und der RPM abhängt. Für höhere Präzision/Reproduzierbarkeit empfiehlt sich ein geschlossener Regelkreis (Verwiegung) oder Mikrodosiersysteme wie Rotodoser.
2) Drop-Through oder Blow-Through?
Blow-Through ist vorteilhaft bei nachgeschalteter pneumatischer Förderung und Risiko von Anbackungen/Feuchtigkeit am Auslass. Drop-Through ist robust und einfach für reine Schwerkraftzufuhr.
3) Ist CIP/SIP möglich?
Abhängig vom Design. Es gibt hygienische Ausführungen mit CIP/SIP-Fähigkeit; andere werden per Schnellzerlegung für validierbare manuelle Reinigung ausgeführt. Im RFQ spezifizieren.
4) Was bestimmt die Oberflächenrauheit (Ra)?
Rückhalterisiko und Reinigungsmethode. Kohäsive Produkte und manuelle Reinigung erfordern niedriges Ra (≤ 0,5/0,4 μm). Elektropolitur unterstützt dies.
5) Wie vermeide ich Partikelzerstörung?
Abgerundete Rotoren, niedrigere RPM, größeres Volumen pro Umdrehung; aggressive Spaltmaße vermeiden.
6) Welche Dichtungen wählen?
Abhängig von Chemie/Temperatur/CIP. PTFE ist inert und reibungsarm; EPDM/FKM/Silikon variieren hinsichtlich Lösungsmitteln und Temperatur. FDA/USP VI anfordern.
7) Ist die Schleuse ATEX-konform?
Ja, wenn für die entsprechende Zone spezifiziert und ausgeführt. Zoneneinteilung im RFQ angeben und Erdung sowie geeignete Komponenten sicherstellen.
8) Wann ist Hastelloy sinnvoll?
Nur bei signifikanter Korrosion, die 316L kritisch macht — Kosten/Nutzen abwägen.
Call-to-Action
Möchten Sie Ihre Anwendung mit Ihrem eigenen Produkt validieren?
→ Fordern Sie einen In-House-Test / Demo-Unit an (technisches Formular ausfüllen).
Empfohlene interne Links: Rotovalve (Beschickung/Airlock), Rotodoser (Mikrodosierung), Testlabor.
(Visueller Anhang) Vorgeschlagene Diagramme
Zwei einfache Schemata mit klarer Legende:
Drop-Through: Trichter → Rotationsschleuse (Rotor im Schnitt) → Schwerkraftauslass; Flusspfeile; Entlüftung am Trichter.
Blow-Through: Trichter → Schleuse, die direkt in eine pneumatische Förderleitung entlädt; Luft-/Produktpfeile; ΔP-Hinweis.
Best Practices für Installation & Wartung
• Frontzugang für Rotorentnahme (bei Cantilever-Ausführung) und Inspektion vorsehen.
• Bypass/Entlüftung zur Stabilisierung des Trichterdrucks integrieren.
• Alle Strecken erden, um statische Aufladung zu vermeiden.
• Wartungsplan mit regelmäßiger Prüfung von Spaltmaßen, Dichtungen und Rotorschleiß.
• Validierte Reinigungsverfahren mit definierten Schritten und Kontrollen nach dem Zusammenbau.
• Minimales Ersatzteilkit: Dichtungssatz, Spitzen (falls vorhanden), Rotor (bei kritischer Betriebszeit).